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Interview zur Zukunft der Stadt: Lahnstein kann von Koblenz profitieren

Wie entwickelt sich die Stadt Lahnstein? Rainer Zeimentz von der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz sieht im Gespräch mit der Rhein-Lahn-Zeitung gute Chancen für einen strukturellen Stadtumbau. Quelle: http://bit.ly/lahnstein2030_2

Sie haben die Stadt Lahnstein in jüngster Zeit mehrfach besucht. Wo sehen Sie für die weitere Entwicklung der Stadt Lahnstein generell die größten Chancen?

Lahnstein hat großes Potenzial als Wohnstadt in der Wirtschaftsregion Koblenz-Neuwieder Becken. Lahnstein hat eine gute überregionale Verkehrsanbindung über Bahn sowie die Autobahnen 3 und 61. Als Standort der Bundeswehr wird die Stadt weiterhin einen sehr qualifizierten Zustrom und Austausch mit Soldaten und ihren Familien erleben können, die viel in der Welt herumkommen. Leben am Welterbe kann man auch an den Pyramiden oder dem Eiffelturm, das Leben im Welterbe, das geht an Rhein und Lahn.

Am und auf dem Wasser leben, kurze Wege gehen können, kleinräumige Wohnbebauung und ruhige Straßen im Stadtkern: das sind vier große Potenziale der Stadt. Barrierefreiheit und ein intaktes soziales Umfeld lassen die Lahnsteiner zudem für Jahrzehnte gut leben und arbeiten. Koblenz platzt aus den Nähten und Lahnstein muss jetzt nicht einmal groß werben, damit neue Stadtbürger sich ansiedeln.

Welche Probleme müsste Ihres Erachtens die Stadt in den Griff bekommen, um sich fit für die Zukunft zu machen?

In jeder Stadt will man sich sicher bewegen, keine Angst um Kinder oder Oma und Opa vor dem Autoverkehr haben müssen. Man will vertraute Gesichter um sich, nicht anonym leben und vom Angebot in der Region leben. Drei Ansatzpunkte sehe ich dabei als Außenstehender:

  • Erstens: Autos weitgehend raus und Geschwindigkeit reduzieren, Wohnbereiche immer weiter beruhigen, mehr innerstädtische Grünflächen, breite Fußwege für Kinder, Kinderwagen und Rollatoren;
  • Zweitens: Werben an den Koblenzer Hochschulen um junge Erwachsene als neue Lahnsteiner Bürger;
  • Drittens: Rhein- und Lahnufer zu einem attraktiven Naherholungsgebiet für alle Jahreszeiten umwandeln.

Das Verkehrskonzept für sechs Monate Bundesgartenschau im Sommer 2031 ist für Lahnstein eher unwichtig. Wir denken heute daran, die Buga-Besucher auf Sammelparkplätzen zu empfangen und dann in das Veranstaltungsgebiet zu schütteln. Da wird es viele temporäre Lösungen für die Spitzentage geben können.

Wichtig für Lahnstein – wie alle deutschen Klein- und Mittelstädte – ist der Ausbau von Fußwegen und Radwegen, das Umwandeln von oberirdischen Parkplätzen in Parkgärten, wie zum Beispiel der Koblenzer Clemensplatz mit Tiefgarage zeigt. E-Bikes, Fahrräder, Rollatoren werden immer wichtiger, damit Menschen im Nahfeld mobil und selbstständig bleiben können.

Zur Wohn- und Aufenthaltsqualität: Wo sehen Sie zurzeit die größten Hindernisse dafür, dass sich Einwohner, aber auch Touristen in der Stadt wohlfühlen?

Die Rhein-Lahn-Stadt hat viele kleine und liebenswerte Stadthäuser, deren Wohnqualität verbessert werden kann. Barrierefreiheit, Verkehrsberuhigung, eigene und öffentliche Grünanlagen sind für Stadtbewohner extrem wichtig. Spielplätze für Kinder und auch Spiel- und Bewegungsangebote für Senioren sind ein Muss. Das alles macht gute Laune und hält die Menschen gesünder.

Ferienwohnungen und -häuser mit modernem Angebot in historischen Fassaden könnten in Lahnstein neue Angebote schaffen. Die Idee „Rheinbetten“ der regionalen Touristiker finde ich klasse. Lahnstein könnte als Pionier dabei sein.

Auch das Lahnsteiner Kulturleben hat seit Jahrzehnten einen guten Ruf.

Noch ein bisschen mehr Achtsamkeit und den täglichen Blick für die eigenen Stärken, dann wird Lahnstein in der regionalen Konkurrenz mit Koblenz, Bendorf, Neuwied oder Montabaur in den nächsten Jahrzehnten gut bestehen können.

Thema Stadtentwicklung: Wo würden Sie, durchaus auch in Hinblick auf eine Bundesgartenschau, die Entwicklungsschwerpunkte in der Stadt setzen? Lahnstein auf der Höhe (Kurgebiet), Innenstadt, Rhein- und Lahnufer mit Hafen?

Ganz klar: Rhein- und Lahnufer. Da liegt die große Chance im strukturellen Stadtumbau. Fast alle Städte erleben einen Boom bei wassernahen Wohn- und Arbeitsplätzen. Wir gehen auf die Jahrzehnte der Babyboomer-Renten-Freizeitgesellschaft zu. Denen muss man das „kleine Immobilienglück“ mit Blick aufs Wasser anbieten.

Bisher ist das Projekt Stadtentwicklung („Lahnstein 2030“) nur in verschiedenen Arbeitskreisen diskutiert worden. Erst unsere Zeitung hat die Diskussion in die Öffentlichkeit getragen. Was schlagen Sie als Experte vor, wie solche Prozesse angestoßen werden, wie diese Entwicklungsplanung nun weiter gestaltet und moderiert werden könnte?

Lahnstein entwickelt momentan auf dem ehemaligen Güterbahnhof ein großes Wohnprojekt. Dieser Erfolg kann weitere Investoren ermutigen. Es wird – wie in Koblenz – darum gehen, alle mitzunehmen, die die Modernisierung unterstützen.

Veränderungen von Städten, Plätzen, Straßen stoßen bei Anwohnern auch auf Skepsis. Hilfreich sind daher regelmäßige, häufige Informationsangebote, Stadtrundgänge, Workshops (auch zum Beispiel mit Hochschulen), kleinere Feste, damit Menschen die Veränderungen „begehen“ können. Das Koblenzer Buga-Team hat wöchentlich Bürgersprechstunden, monatlich Baustellenführungen und jährlich ein Baustellenfest angeboten. Und rund um größere Baustellen lohnt es sich auch, an jeder Haustür zu klingen und mit den Anwohnern zu sprechen. Akzeptanz für Veränderung wächst nur durch Kommunikation.

Die Fragen stellte Michael Stoll

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