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Burggärten entlang des Rheins bieten große touristische Entwicklungspotentiale

Das Obere Mittelrheintal soll an die Spitze der europäischen Tourismus-Destinationen zurückkehren. Die 39 Burgen und ihre Burggärten könnten zur BUGA 2029 eine entsprechend große Anziehungskraft erlangen. Eine Studie im Auftrag des Innenministeriums von Rheinland-Pfalz zeigt, wie. Teil 1 unserer Serie.

Burg Rheinstein. (Foto: Christoph Duckart)
Auf Burg Rheinstein. (Foto: Christoph Duckart)

Aufgabe der Studie

Das Welterbe Oberes Mittelrheintal soll in seiner wirtschaftlichen, kulturellen, ökologischen und sozialen Funktion gesichert und weiterentwickelt werden. Die Burgen mit ihren Burggärten entlang des Rheins bieten dazu große touristische Entwicklungspotentiale. Sie voll auszuschöpfen, setzt zunächst die genauere Kenntnis der vorhandenen Burggärten voraus.

Es ist die Aufgabe der vorliegenden Studie (PDF, 36 MB, 132 Seiten) die Burggärten im Welterbe Oberes Mittelrheintal zu erfassen und zu analysieren und auf dieser Grundlage ein Rahmenkonzept zu deren touristischen Inwertsetzung vorzuschlagen. Der Begriff Burggärten wird in diesem Zusammenhang umfassend verstanden. Er schließt in diesem Sinne die Gesamtheit der Maßnahmen zur Gestaltung der Freiräume innerhalb und außerhalb der Burganlage ein. So gesehen, geht es um die Anlage und Gestaltung der Freiräume innerhalb der Burganlage, des Umfeldes der Burganlage sowie der Zuwegung zur Burg. Im Fokus der Studie stehen darüber hinaus die vorhandenen Aussichtspunkte in den Burggärten und die Wahrnehmbarkeit der Burganlagen in der Kulturlandschaft.

Die Studie steht im Zusammenhang mit der Vorbereitung der BUGA 2029 Oberes Mittelrheintal und der Erstellung eines neuen Managementplans für das Welterbegebiet. Zum einen soll sie Vorschläge entwickeln, wie und auf welche Weise die Burggärten bis zur BUGA 2029 in ihrer Gesamtheit stärker in Wert gesetzt werden können, zum anderen soll sie im Hinblick auf die Wahrung des Kulturerbes und der gewachsenen Kulturlandschaft konkrete Bewertungsgrundlagen für den neuen Managementplan liefern.

Aufbau und Vorgehensweise

Die Studie umfasst eine Recherche relevanter Materialien zur Erfassung der Burggärten, eine Bestandsaufnahme der Burggärten, eine Analyse der erfassten Burggärten und der Erlebniswirksamkeit der Burganlagen in der Kulturlandschaft sowie die Erarbeitung eines Rahmenkonzeptes zur touristischen Inwertsetzung der Burggärten.

Bei der Recherche wurden zahlreiche öffentliche Institutionen sowie die Eigentümer und Verwalter der Burgen eingebunden. Zudem wurden zahlreiche Archive in Rheinland-Pfalz und Hessen aufgesucht und relevante Materialien erfasst und gesichtet.

Die Bestandsaufnahme der Burggärten erfolgte durch Aufarbeitung und Auswertung der recherchierten Materialien (historische Karten, Pläne, Darstellungen, Zeichnungen und Fotografien, aktuelle Vermessungsgrundlagen und hochaufgelöste Orthophotos, usw.), durch eine Befragung der Eigentümer und Verwalter der Burgen sowie durch Ortsbegehungen.

Zur Analyse der erfassten Burggärten gehörte eine Typisierung der Burggärten nach Stilepochen, ihrer Zugehörigkeit zu preußischen Königsfamilien und Industriellenfamilien und nach Freizeitangeboten. Zudem wurden die Besonderheiten der Burggärten, die Rahmenbedingungen (Naturschutzrechtliche Vorgaben, verkehrliche Vorgaben, denkmalpflegerische Vorgaben) sowie die Entwicklungspotentiale zur Inwertsetzung der Burggärten (Potentiale der Erschließung des Burgenumfeldes, der inneren Burganlage, der Neuinterpretation bzw. Neuanlage) herausgearbeitet.

Die Analyse der Erlebniswirksamkeit der Burganlagen in der Kulturlandschaft basierte auf der Analyse der Lage der Burgen und der Wahrnehmbarkeit der Burgen in der Landschaft und mündete in eine Einschätzung der Erlebniswirksamkeit der Burgen.

Das Rahmenkonzept wurde auf der Grundlage der Bestandsaufnahme und -analyse sowie auf der Grundlage der Befragung der Eigentümer und Verwalter der Burgen erarbeitet.

Ergebnisse

Die Recherche relevanter Materialien wurde im Oberen Mittelrheintal und darüber hinaus betrieben. Sie baute oft auf direkten und persönlichen Hinweisen auf. Die Mehrzahl an Hinweisen zu Burggärten konnten nur aus generellen und allgemeinen Quellen bezogen werden. Eine Übersicht verdeutlicht, für welche Burgen historische Quellen vorliegen. Neueste digitale Methoden, wie die Analyse dreidimensionaler Vermessungsdaten, wurden eingesetzt, um den Informationsgehalt des gefundenen Materials voll auszuschöpfen.

Übergreifend lässt sich feststellen, dass die für die Erfassung der Burggärten relevanten Materialien in verschiedenen öffentlichen und privaten Archiven verstreut vorliegen. Bei den Unterlagen zu den einzelnen Burgen gibt es große Diskrepanzen bezüglich ihrer Qualität und Quantität.

Die Bestandsaufnahme hat ergeben, dass im Welterbe Oberes Mittelrheintal zahlreiche Burggärten vorkommen. Dabei lassen sich drei Kategorien unterscheiden: vorhanden, wahrscheinlich vorhanden, eingeschränkt vorhanden. Bei 19 Burgen sind Burggärten vorhanden, bei 3 Burgen wahrscheinlich vorhanden aber nicht belegt, und bei 7 Burgen eingeschränkt vorhanden. Bei 10 Burgen konnten keine Burggärten festgestellt werden.

Zusammenfassend betrachtet haben die Untersuchungen ergeben, dass das Einbeziehen und die Gestaltung der Freiräume bis hin zur umgebenden Landschaft im Burgenbau, insbesondere bei deren Wiederaufbau zu Zeiten der Rheinromantik eine bedeutende und tragende Rolle gespielt haben.

Dabei hatte die Bedeutung der jeweiligen Burg bereits zu ihrer Entstehungszeit große Auswirkung darauf, ob Freianlagen dokumentiert wurden. Regelmäßiger dokumentiert sind Flächen für Jagd, forstliche und landwirtschaftliche Flächen, insbesondere auch zur Eigenversorgung, sowie Erschließungsflächen. Flächen, die vorrangig der Freizeitgestaltung dienen, sind erst ab dem Wiederaufbau dokumentiert, vor allem wenn Burgen durch bürgerliche Familien oder Industriellenfamilien als Wohnsitz wiederaufgebaut wurden. Es ist deutlich zu erkennen, dass die Entwicklung der Burggärten ein wesentlicher Bestandteil und Beitrag zum Erhalt und zur Erlebniswirksamkeit der Kulturlandschaft darstellt. Weiterhin ist festzustellen, dass der Zustand der Burganlagen und Burggärten sehr unter-schiedlich ist.

Bei der Bestandsanalyse sind folgende Ergebnisse besonders herauszustellen:

Die zeitliche Einordnung der belegten Hinweise zu den Gärten zeigt, dass es zu jeder Gestaltungsepoche (Mittelalter, Renaissance, Barock, Landschaftsgarten, Historismus, Moderne/Nachkriegszeit, aktuelle Entwicklungen) mindestens einen Vertreter gibt. So ist im Welterbe Oberes Mittelrheintal eine Zeitreise durch die Epochen der Gartenhistorie denkbar. Der erstellte „Zeitstrahl“ verdeutlicht, dass es bei den Burggärten meist Einflüsse aus mehreren Epochen gibt.

Charakteristisch für die Burgen, die auf Initiative der preußischen Königsfamilien wiederaufgebaut wurden (Rheinstein, Sooneck, Stolzenfels), sind der ausdrückliche gestalterische Einbezug von Gärten innerhalb der Burganlage, die Inszenierung der Zuwegung und die weiträumige Gestaltung des Umfeldes mit seinem umgebenden Landschaftsraum.

Zu den Burgen, die Industrielle als Familiensitz und zu repräsentativen Zwecken nutzten, gehören u.a. die Burg Lahneck, die Heimburg, die Burg Gutenfels und die Burg Reichenstein. Die Burggärten im Inneren der Burganlage gliedern sich in private, dem Familienleben vorbehaltene Bereiche, und in öffentliche Bereiche zur Repräsentation und für Geschäftsbesuche. Die Zuwegung wird auch hier als wesentlicher Teil der Anlage besonders gestaltet. Das Umfeld zeichnet sich meist durch großflächige Reb- und Obstflächen aus, in Einzelfällen auch als parkartiger Übergang in die Landschaft.

Bei den meisten Burgen und Burggärten besteht ein Entwicklungspotential in Bezug auf die innere Burganlage, das Burgumfeld, die Erschließung und die Neuinterpretation bzw. Neuanlage. In einer tabellarischen Zusammenstellung wird das volle Spektrum an fachlich begründeten Möglichkeiten der Entwicklung für die einzelnen Burgen und Burggärten aufgezeigt.

Die Erlebniswirksamkeit der Burgen in der Kulturlandschaft wird bestimmt durch die Lage (Tallage, Hanglage, Höhenlage) und die Wahrnehmbarkeit der Burgen. Die Wahrnehmbarkeit hängt wesentlich davon ab, ob die Wahrnehmung vom Schiff oder von der links- bzw. rechtsrheinischen Seite aus erfolgt. Am besten können die Burgen vom Schiff aus wahrgenommen werden. Von der rechts- bzw. linksrheinischen Seite können meist die Burgen auf der gegenüberliegenden Rheinseite gut gesehen werden, sofern die Sicht nicht durch Gebäude oder Gehölze eingeschränkt ist. Durch die hohe Hangneigung sind die Burgen auf der Rheinseite, auf der sich die wahrnehmende Person befindet, nur eingeschränkt wahrnehmbar. Die Erlebniswirksamkeit der Burgen wird auf dieser Grundlage eingeschätzt. Auf Faktoren, welche die Erlebniswirksamkeit beeinträchtigen wird dabei hingewiesen.

Das Rahmenkonzept schlägt Eckpunkte für die Inwertsetzung der vorhandenen Burggärten im Welterbe Oberes Mittelrheintal vor, an denen sich die Entwicklungskonzepte für die einzelnen Burgen und Burggärten orientieren sollten, um die Synergieeffekte zu nutzen, die durch ein abgestimmtes Vorgehen zu erwarten sind. Es besteht aus 3 Teilen, einer „Vision“, übergreifenden Leitlinien der Entwicklung und Entwicklungszielen für die einzelnen Burgen und Burggärten.

Die „Vision“ zeichnet ein wünschenswertes Zukunftsbild (im Sinne eines ganzheitlichen Leitbilds) für die Burggärten und Burganlagen im Welterbe Oberes Mittelrheintal zum Zeitpunkt der Bundesgartenschau im Jahr 2029. Die formulierten Leitlinien zielen auf eine abgestimmte touristische Inwertsetzung der Burggärten. Sie dienen dazu, die Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Die vorgeschlagenen Entwicklungsziele für die einzelnen Burgen und Burggärten orientieren sich an den Leitlinien zur Entwicklung der Burggärten und bauen – ebenso wie die „Vision“ und die Leitlinien – auf den Ergebnissen der Bestandsaufnahme und –analyse auf. Die Besonderheiten der Burggärten fanden bei der Formulierung der Entwicklungsziele Berücksichtigung.

Ausblick

Die Studie entwickelte auf der Grundlage einer fundierten Bestandsaufnahme und -analyse rahmensetzende Vorschläge zur touristischen Inwertsetzung der Burggärten im Welterbegebiet. Wünschenswert sind nunmehr Initiativen von öffentlicher und privater Seite, die Burggärten entsprechend in Wert zu setzen und gemeinsam zu vermarkten. Als Anstöße zur Inwertsetzung zeigt die Studie praktische Beispiele zur Neuinterpretation und Neugestaltung von Freiräumen auf.

  • Unsere Serie widmet sich den Burggärten im Welterbe Oberes Mittelrheintal auf Basis der 2019 vom rheinland-pfälzischen Innenministerium vorgestellten Studie (PDF). Zugunsten der Lesbarkeit im Web wurde diese Darstellung gegenüber dem PDF gekürzt. Die Serie im Überblick:
  1. Die Burggärten im Welterbetal
  2. Was sind überhaupt Burggärten?
  3. Quellen und Materialien
  4. Die Burganlagen im Überblick
  5. Die bauliche Entwicklung der Burgen
  6. Wo es Burggärten gibt
  7. Gartenhistorische Epochen
  8. Aktuelle Situation der Burggärten
  9. Die Besonderheiten
  10. Was Entwicklungsziele sein könnten
  11. Burgen und Burggärten als „Perlenkette“
  12. Beispiele überarbeiteter Gärten aus aller Welt

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