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Renovierungsstau in vielen Orten: Regionalentwicklung zwischen Koblenz und Rüdesheim

Die Welterbe-Kulisse ist kein homogener Raum: Im Norden und Süden geben die Städte Impulse, auf den westlichen Höhenzügen ist es die Wirtschaftskraft der Autobahn A 61. Die Mitte und der Osten hingegen sterben aus.

Auch in Lahnstein gibt es Bedarf für eine Entwicklung der touristischen Infrastruktur. (Foto: Piel media)
Auch in Lahnstein gibt es Bedarf für eine Entwicklung der touristischen Infrastruktur. (Foto: Piel media)

Eine dezentrale BUGA ist auch ein Instrument zur Entwicklung einer ganzen Region mit all ihren Orten. Das ist der Weg, den die BUGA 2015 im Havelland erstmals beschritt und der mit der IGA 2027 im Ruhrgebiet fortgeführt werden wird.

Die Menschen ziehen aus dem Tal weg in die Neubaugebiete der Höhengemeinden. (Foto: Piel media)
Die Menschen ziehen aus dem Tal weg in die Neubaugebiete der Höhengemeinden. (Foto: Piel media)

Damit aus der BUGA mehr als die flüchtige Schau eines Sommers wird und sie nachhaltige Entwicklungen in Gang setzen kann, muss sie in eine Gesamtstrategie zur Kommunal- und Regionalentwicklung eingebunden werden. Sie fungiert dann als Ausgangspunkt eines professionellen Projekt- und Fördermanagements, das über die Kernmaßnahmen hinaus in der gesamten Region Wirkung entfaltet.

Dieser Raum ist nicht nur landschaftlich vielgestaltig. Auch die wirtschaftliche und demografische Entwicklung sind sehr unterschiedlich. Die Kluft zwischen prosperierenden und zurückfallenden Teilräumen wird mit jedem Tag größer, an dem eine junge Familie aus dem Tal fort- und in ein Haus in den Neubaugebieten der Höhengemeinden oder im Speckgürtel der Städte Koblenz oder Bingen einzieht.

Positive Dynamik

Renovierungs-»Stau« in vielen Orten. (Foto: Piel media)
Renovierungs-»Stau« in vielen Orten. (Foto: Piel media)

Die Menschen folgen eben der Arbeit, die infolge des Wandels von der Agrar- zur Industrie- und schließlich zur Dienstleistungsgesellschaft vom ländlichen Raum in die Städte gewandert ist. Da ist es nur konsequent, dass die starken Bereiche im Welterbe-Gebiet die mit guter Anbindung oder (wie das Beispiel Lahnstein) schlicht jene mit räumlicher Nähe zu den Oberzentren Koblenz, Mainz oder Wiesbaden sind. Die Autobahn A 61 gewinnt dabei zunehmend an Bedeutung als Pendlerachse.

Es gibt kaum eine Autobahnabfahrt, in deren unmittelbarer Nähe nicht neue Wohngebiete die vorwiegend von Familien ausgehende Nachfrage nach verkehrsgünstigem Wohnraum im Grünen bedienen. Pfaffenheck, Dörth oder das zu Boppard gehörende Buchholz sind nur drei Beispiele für Ortsteile, die der vierspurigen Verkehrsader ihr Wachstum verdanken. Buchholz ist seit fast zwei Jahrzehnten der jährlich am stärksten wachsende Ortsbezirk der Stadt Boppard.

Einige Bahnhaltepunkte wirken abschreckend. (Foto: Piel media)
Einige Bahnhaltepunkte wirken abschreckend. (Foto: Piel media)

Boppard zum Beispiel ist eine der Ortschaften im Talraum, die mit intakter Stadtstruktur und entsprechender Wirtschaftskraft Anziehungspotenzial als Wohn-, Lebens- und Arbeitsraum entwickelt. Auch touristisch fungiert Boppard mit einer attraktiven Angebotsstruktur als Aushängeschild im Welterbe-Gebiet. Nicht zuletzt, weil es der am besten an die Autobahn angebundene Weinort im Oberen Mittelrheintal ist. Nur sieben Kilometer sind es von der Kirche St. Severus am Marktplatz bis zur Anschlussstelle Boppard. Eine Portion Rheinromantik ist hier auf die Schnelle auch für Durchreisende zu haben.

Damit aus der BUGA mehr als die flüchtige Schau eines Sommers wird und sie nachhaltige Entwicklungen in Gang setzen kann, muss sie in eine Gesamtstrategie zur Kommunal- und Regional entwicklung eingebunden werden.

Als weltweit wohl bekanntester Weinort am Rhein, zudem mit guter Anbindung in die Metropolregion Rhein-Main gesegnet, zählt auch Rüdesheim zu den Welterbe-Orten mit positiver Dynamik. Der Boom der Flusskreuzfahrten beschert der Heimat der legendären Drosselgasse mehr als 2000 Kreuzfahrtschiffe pro Jahr. Die Umsätze mit den Kreuzfahrtreisenden sehen die meisten anderen Orte stromabwärts hingegen nur im wahrsten Sinne »an sich vorüberziehen«.

Zwar verfügen auch Oberwesel und Bacharach noch über intakte Stadtstrukturen, doch anders als in Boppard schneiden Bahnstrecke und Bundesstraße sie vom Rheinufer ab. Dieses Problem teilen Oberwesel und Bacharach mit vielen anderen Ortschaften in der Tiefe des Talraums, in denen Verkehrsanlagen das Ortsbild dominieren. Es ist nicht nur ein funktional-städtebauliches Problem, sondern ein existenzgefährdendes, wegen der Belastungen, die für die Anwohner vom Verkehr ausgehen.

Beispiele für gelungene Maßnahmen: der Kultur- und Landschaftspark auf der Loreley (2019) … (Foto: Piel media)
Beispiele für gelungene Maßnahmen: der Kultur- und Landschaftspark auf der Loreley (2019) … (Foto: Piel media)
Leerstand und verfallende Immobilien prägen das zentrale Ortsbild vieler Kommunen. (Foto: Piel media)
Leerstand und verfallende Immobilien prägen das zentrale Ortsbild vieler Kommunen. (Foto: Piel media)

Nicht wenige werden von Lärm und Erschütterungen vertrieben und müssen sich anderswo eine bessere Perspektive suchen. So sehen viele Orte einem schleichenden Tod entgegen. Ausdruck dieses Prozesses sind leer stehende Geschäfte, verwaiste Wohnhäuser und ungenutzte historische Gebäude. Vielerorts verunstalten Schrottimmobilien das zentrale Ortsbild. Brachliegende Flächen im Rheinvorland, aufgelassene Kleingärten und verbuschende Weinberge verschärfen das Bild einer Region »auf dem absteigenden Ast«.

Dazu trägt auch die nicht mehr zeitgemäße Verwaltungsstruktur ihren Teil bei. Den teils winzigen und mancherorts ehrenamtlich verwalteten Kommunen fehlt es oft an finanzieller Kraft und an professionellen Managementkapazitäten, um sich dem Niedergang entgegenzustemmen. Dabei verfügt der Talraum auf seiner gesamten Länge doch über einmalige Ressourcen: grüne Infrastrukturen vor der Kulisse einer großartigen Landschaft!

Gesellschaftlicher Wandel als Chance

Die Uferpromenade in St. Goar. (Foto: Piel media)
Die Uferpromenade in St. Goar. (Foto: Piel media)

Könnten diese – nicht nur im Rahmen einer BUGA inszenierten – Ressourcen Grundstein für eine Erfolgsgeschichte sein, für eine positive Entwicklung, die den gesamten Raum erfasst? Vielleicht im Verbund mit dem gesellschaftlichen Wandel, der mit der Digitalisierung einhergeht. Denn sie entkoppelt die Arbeit von räumlichen Zwängen. Statt der Arbeit hinterherzuziehen, nimmt man sie mit an lebenswerte Orte. Und lebenswert sollte der Sehnsuchtsort der Romantik doch allemal zu gestalten sein.

(Foto: Piel media)

Damit das Obere Mittelrheintal prosperiert, gibt es noch einiges zu tun. Der flächendeckende Breitbandausbau, WLAN und Hochleistungs-LTE sind eine Voraussetzung, die Revitalisierung der Ortskerne im Verbund mit einem Immobilienmanagement und die Aufwertung des Rheinvorlandes eine weitere. Eine bessere, auch verkehrliche Vernetzung innerhalb des Oberen Mittelrheintals und eine interkommunale Zusammenarbeit und Profilierung der Orte zählen ebenfalls zum Lastenheft der zukünftigen Orts- und Regionalentwicklung.

Nicht besetzte Pensions-Rezeptionen sind hier keine Seltenheit. (Foto: Piel media)
Nicht besetzte Pensions-Rezeptionen sind hier keine Seltenheit. (Foto: Piel media)

Da das digitale Arbeiten diese Entwicklung nicht alleine tragen kann und der Tourismus ein wirtschaftliches Standbein der Welterbe-Region bleiben soll, muss auch die Aufwertung der touristischen Infrastrukturen angepackt werden, müssen diese zeitgemäßer und einladender werden. Das gilt für Schiffsanleger und Rheinpromenaden ebenso wie für Bahnhöfe, Radwege und touristische Attraktionen – allen voran die Burgen. Das im Jahr 2017 laufende Projekt zu einer »Rahmenkonzeption historischer Burggärten« von Innenministerium, Generaldirektion Kulturelles Erbe und Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz schafft dafür ein neues Fundament.

Damit den positiven Beispielen wie der neu gestalteten Promenade in St. Goar oder dem Loreleyplateau mit neuer Bühne, Kulturpark und einem Hotelneubau weitere folgen, ist in den kommenden Jahren das gemeinsame Wirken vieler Akteure notwendig – im Rahmen der BUGA 2029 und darüber hinaus.

  • In unserer Serie beleuchten wir auf Basis der aktualisierten Machbarkeitsstudie (PDF) die Möglichkeiten und Auswirkungen der Bundesgartenschau 2029 im Oberen Mittelrheintal. Bisher erschienen:

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