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Infrastruktur im Oberen Mittelrheintal: Fluch und Segen zugleich

Für Auto- und Motorradfahrer gilt die Strecke zwischen Koblenz und Bingen/Rüdesheim mit ihrer großartigen Flusskulisse als deutsche Traumstraße. Für die Talbewohner ist der Fluss eine Barriere und der Verkehr ein Albtraum.

Mehr als 110.000 Gäste auf Kreuzfahrtschiffen erleben das Rheintal zumeist als Kulisse. (Foto: Piel media)
Mehr als 110.000 Gäste auf Kreuzfahrtschiffen erleben das Rheintal zumeist als Kulisse.
(Foto: Piel media)

Die Ver­kehrs­in­fras­truk­tur im Obe­ren Mit­tel­rhein­tal ist Fluch und Segen zug­leich. Für die An­rai­ner eben­so wie für die Be­su­cher. Ei­ner­seits be­rei­te­te sie der tou­ris­ti­schen E­rschlie­ßung gleich in mehr­facher Hin­sicht den Bo­den. Die Bur­gen, für die das Tal spä­ter ge­rühmt wur­de, ent­stan­den we­gen der wich­ti­gen Rol­le des Rheins als Schiff­fahrts­weg. Mit der Eisen­bahn ka­men ab dem 19. Jahr­hun­dert die Gäs­te in Scharen, später in noch größerer Zahl mit Auto und Motorrad über die Bundesstraßen zu beiden Seiten des Stroms. So schwemmten die Verkehrswege phasenweise viel Wohlstand in die Ortschaften am Fuß der Weinberge.

Die Bahnstrecke entlang des Rheins ist eine gute Alternative zum motorisierten Individualverkehr, stellt aber auch eine große Belastung dar. (Foto: Piel media)
Die Bahnstrecke entlang des Rheins ist eine gute Alternative zum motorisierten Individualverkehr, stellt aber auch eine große Belastung dar. (Foto: Piel media)

Bahnlärm als Kernproblem

Mit der Zeit wurde von dem volkswirtschaftlichen Nutzen, den die Rheinachse generierte, jedoch ein immer geringerer Anteil im Tal selbst wirksam. Die Qualitäten des Tals kehrten sich gegen seine Bürger. Das Obere Mittelrheintal ist Teil der Nord-Süd-Bahnverbindung zwischen Rotterdam und Genua. Für die Menschen heißt das: Mehrere Hundert Güterzüge fahren täglich durch das enge Tal, ohne dass es Gewinn daraus zieht.

Für die BUGA in einem so lang gestreckten Raum werden die Bahntrassen im Oberen Mittelrheintal ein Rückgrat bilden.

Heute vertreibt der massive Lärm die Touristen und belastet die Anwohner. Immerhin: Besonders laute Güterzüge dürfen ab 2020 in Deutschland nicht mehr fahren. Die Zahl der Züge wird allerdings eher noch zunehmen und so dürften Forderungen nach neuen Tunnelstrecken bestehen bleiben. Positiv ist, dass die Bahntrassen mit ihren zehn linksrheinischen und zwölf rechtsrheinischen Haltepunkten zwischen Koblenz und Bingen/Rüdesheim für gute Verbindungen für Pendler und Ausflügler sorgen. Für die Durchführung einer BUGA in einem so lang gestreckten Raum werden die Bahntrassen ein wichtiges Rückgrat bilden. Freie Kapazitäten sind ausgehend von der gegenwärtigen Taktung reichlich vorhanden. Die heutige Auslastung der Züge im ÖPNV beträgt während üblicher BUGA-Stoßzeiten linksrheinisch nur 40 Prozent und rechtsrheinisch aktuell nur 20 Prozent.

Die Autofähre zwischen St. Goar und St. Goarshausen. (Foto: Piel media)
Die Autofähre zwischen St. Goar und St. Goarshausen. (Foto: Piel media)

Der verbindende Fluss

Aber es mangelt an Querverbindungen. Keine Brücke ermöglicht es dem öffentlichen Verkehr, ob Bus oder Bahn, den Rhein zwischen Mainz und Koblenz zu überwinden. Neben der Fähre in Bingen ermöglichen ganze vier Fähren auf über 60 Flusskilometern den Wechsel vom links- zum rechtsrheinischen Ufer. Von den Bahnhöfen liegen sie teils weit entfernt. Dieses Manko gleicht auch die Personenschifffahrt nicht aus. Weder ist sie in den ÖPNV-Tarif integriert, noch sind ihre Fahrpläne auf die Bedürfnisse der Bewohner ausgerichtet. Daher besteht seit Jahren die Forderung nach der »Mittelrheinbrücke«, die zwischen St. Goar und St. Goarshausen mit einem verlässlichen 24/7-Betrieb die Rheinfähren ergänzt.

Auch der Lärm der Züge bedeutet einen erheblichen Wermutstropfen für die Radtouristen.

Für die überregionale Anbindung sorgt neben dem Fernverkehr der Deutschen Bahn nach Koblenz und Mainz vor allem die Autobahn A 61 und die Bäderstraße. Beide verlaufen über die Höhenzüge parallel zum Tal und sind über einige Abfahrten und kurze Verbindungsstraßen gut angebunden. Auch 2029 werden die meisten Gäste zu einer BUGA vermutlich mit dem eigenen Pkw oder per Reisebus anreisen. Diese Gäste von dort oben ins Tal hinunterzubringen, wird eine ebenso große Herausforderung wie die Verknüpfung von Ausstellungsbereichen am Fluss und auf den Höhenflächen.

Im Tal selbst sind die Touristen traditionell mit den unterschiedlichsten Verkehrsmitteln unterwegs. Auf dem Fluss mit Kreuzfahrt- und Ausflugsschiffen, am Fluss mit Fahrrad, Bahn, Auto oder Motorrad und hoch über dem Fluss per Pedes auf dem linksrheinischen RheinBurgenWeg oder dem rechtsrheinischen Rheinsteig. Verkehre, die sich zum einen gegenseitig bedingen, zum anderen aber auch im Konflikt zueinander stehen. Wanderer lieben keinen Motorradlärm.

Radfahrer am Rheinufer in Oberwesel. (Foto: Piel media)
Radfahrer am Rheinufer in Oberwesel. (Foto: Piel media)

Noch direkter erleben die Radfahrer diese Konfliktfelder. Zwar ist der Radweg auf der linken Rheinseite durchgängig von Bingen bis Koblenz ausgebaut, er führt aber zu großen Teilen unmittelbar an der stark befahrenen, lauten Bundesstraße B 9 entlang. Auch der Lärm der Züge bedeutet einen erheblichen Wermutstropfen für die Radtouristen. Rechtsrheinisch fehlen entlang der B 42 Radwege zum Teil noch gänzlich. Durchgängige Radtouren sind hier gar nicht gefahrlos möglich.

Im Hinblick auf eine BUGA 2029 im Oberen Mittelrheintal wird einem schlüssigen Verkehrskonzept also eine zentrale Rolle zukommen. Es soll den Anwohnern Ängste vor zusätzlichen Belastungen nehmen, indem es den Anreiseverkehr aus dem Tal heraushält, den Gästen trotzdem ein stimmiges Gesamterlebnis beschert und vor allem für nachhaltig wirksame Verbesserungen der Lebensqualität der Menschen sorgt.

  • In unserer Serie beleuchten wir auf Basis der Machbarkeitsstudie (PDF 2031, Ergänzung 2029) die Möglichkeiten und Auswirkungen der Bundesgartenschau 2029 im Oberen Mittelrheintal. Bisher erschienen:
  1. Familie Schmidt besucht die BUGA
  2. Impulse für das Obere Mittelrheintal
  3. So war es bei der Landesgartenschau 2008 in Bingen
  4. So war es bei der Bundesgartenschau 2011 in Koblenz
  5. So war es bei der Bundesgartenschau 2015 in der Havelregion
  6. Eine dezentrale BUGA – geht das?
  7. Besonderheiten und Potenziale
  8. Landschaft: Wasser, Wald, Fels und Wein
  9. Die Wiege des Tourismus
  10. Infrastruktur: Fluch und Segen zugleich
  11. Orts- und Regionalentwicklung
  12. Das Unesco-Welterbe
  13. Organisationsmodell und Planungsprozess
  14. Partizipation
  15. Planungsgrundlagen
  16. Ziel- und Erfolgskriterien
  17. Flächenmeldung und Einordnung
  18. Leitlinien
  19. Verbundräume
  20. Auf dem Rhein
  21. Das ganze Tal bespielen
  22. Konzept für die BUGA 2029
  23. Qualifizierung und Auswahl von Schwerpunktstandorten und -projekten
  24. Standorte im Nördlichen Tal
  25. Standorte im Zentralen Tal
  26. Standorte im Südlichen Tal
  27. Mobilitätskonzept
  28. Veranstaltungskonzept
  29. Touristische Infrastruktur
  30. Weitere Projektideen
  31. Was bleibt?

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