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Landschaft: Wasser, Wald, Fels und Wein

300 Millionen Jahre Erd- und 3000 Jahre Kulturgeschichte formten den unverwechselbaren Charakter des Oberen Mittelrheintals. Eine Landschaft, deren Erhalt für die gesamte Menschheit von Bedeutung ist.

Blick von der historischen Stadtmauer auf die Stadt Bacharach. (Foto: Piel)
Blick von der historischen Stadtmauer auf die Stadt Bacharach. (Foto: Piel)

So sieht es jeden­falls die UNESCO, die das Obe­re Mit­tel­rhein­tal 2002 in den Rang eines Welt­kultur­erbes hob. Ausgangs­punkt für das heu­tige Ant­litz des Tals war je­doch eine He­bung, die vor weit­aus länge­rer Zeit be­gann und vor rund 300 Mil­lio­nen Jah­ren ab­ge­schlos­sen war: die varis­zische Gebirgs­bil­dung. Ihr ver­dankt das Rhei­nische Schiefer­gebirge seine Exis­tenz – und seine prä­gen­den Ge­steine. Der Rhein erb­lickte hin­gegen erst in der jüngeren Erdgeschichte das Licht der Welt. Erst vor rund zehn Millionen Jahren fraß sich das im Oberrheingraben verlaufende Gewässer im Zuge weiterer Hebungsprozesse durch das Schiefergebirge und verband sich mit dem nördlichen Abschnitt zu dem Strom, der heute auf 1233 Kilometern den Namen Rhein trägt.

Die Besiedlung des Tals

Mit den Römern, die in Boppard ein Kastell errichteten, kam der Weinbau ins Obere Mittelrheintal.

Dafür, dass ausgerechnet seine 67 Flusskilometer zwischen Koblenz und Bingen/Rüdesheim ein Raum von Weltrang wurden, waren neben den innen- und außenbürtigen Kräften der Natur aber vor allem die Menschen verantwortlich. Vermutlich haben schon vor 30.000 Jahren Menschen dauerhaft im Tal gelebt, die ältesten Siedlungsspuren bei Brey und Rhens reichen rund 3000 Jahre bis in die Eisenzeit zurück. Mit den Römern, die in Boppard ein Kastell errichteten, kam (über den Umweg via Mosel) der Weinbau ins Obere Mittelrheintal.

Bis ins 13. Jahrhundert waren mit dem karolingischen Landesausbau die meisten Ortschaften gegründet, die Weinberganlagen – wie der Bopparder Hamm – erschlossen und der bis dahin die Steilhänge bedeckende Eichen- und Hainbuchenwald zurückgedrängt. In diese Zeit fiel auch die Errichtung der meisten Burgen. Bis auf wenige Ausnahmen entstanden sie vom 12. bis in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts. Das Bild des Oberen Mittelrheintals, so wie wir es heute kennen, war gezeichnet.

Noch heute bietet die Landschaft im Oberen Mittelrheintal Bilder wie zu Zeiten der Romantik. (Foto: Piel)
Noch heute bietet die Landschaft im Oberen Mittelrheintal Bilder wie zu Zeiten der Romantik. (Foto: Piel)
Bacharach, Ruine der Wernerkapelle. (Foto: Piel)
Bacharach, Ruine der Wernerkapelle. (Foto: Piel)

Ein bedeutender Verkehrsweg war der Rhein schon damals und ein einträglicher dazu. Besonders anschaulich macht die in der Flussmitte aufragende Pfalz bei Kaub, dass hauptsächlich die Zolleinnahmen es waren, die den Bau der Burgen beförderten und dem Tal seine weltweit einmalige Burgendichte bescherten: 16 Burgen linksrheinisch, 14 Burgen rechtsrheinisch, mit Schlössern und Festungen summiert sich das auf 40 bis heute markante Zeugnisse einer bewegten Vergangenheit. Allen voran die stolz auf einem Felskegel über Braubach thronende Marksburg als einzige nie zerstörte Höhenburg am Rhein. Über Jahrhunderte waren diese Burgen keine pittoresken Motive, sondern Hemmnisse und Ärgernisse für Reisende, den Handel oder andere Geschäfte durch das Tal. Sie waren natürliche Bollwerke gegen Begehrlichkeiten fremder Mächte, auf die der Rhein ob seiner strategischen Bedeutung stets eine große Anziehungskraft ausübte. Durchziehenden Truppen fielen im Lauf der Zeit dann auch die meisten Burgen im Oberen Mittelrheintal zum Opfer: im Dreißigjährigen Krieg, im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 und durch Napoleon Anfang des 19. Jahrhunderts.

Die Anfänge des Tourismus

Heute wären wohl kaum noch Überreste der mittelalterlichen Burgen zu bewundern, wenn mit Beginn des 19. Jahrhunderts nicht erstmals Reisende gekommen wären, die anderes im Sinn hatten als Handel oder Brandschatzung. Es waren Reisende, die das Bild dieser Landschaft in Versen oder auf Leinwänden festhielten und sie verklärend und überhöhend zu einem Sehnsuchtsort stilisierten. Sie zog Menschen an, die eine romantische Landschaft als Gegenentwurf zu den Geißeln der beginnenden Industrialisierung suchten.

Felsvorsprünge, Burgruinen und rebbesetzte Hänge lieferten gute Vorlagen für die Rheinromantik.

Die auf steilen Felsvorsprüngen aufgereihten Burgruinen, die hoch aufragenden, rebenbesetzten Hänge, die knorrigen Eichen in ausgesetzten Lagen, die auf schmalen Uferleisten um romanische Kirchen wie St. Peter in Bacharach zusammengedrängten Siedlungen am erhabenen Strom lieferten Vorlagen, denen Friedrich Schlegel, William Turner, Lord Byron oder Heinrich Heine nicht mehr viel hinzufügen mussten, um für etwas zu sorgen, dass man heute einen Hype nennen würde: die Rheinromantik. Sie sorgte dafür, dass viele Burgen nach 1815 bis zum Ende des 19. Jahrhunderts durch das im Zuge der Industrialisierung zu Vermögen gelangte Bürgertum neu aufgebaut wurden. Auch der Adel engagierte sich. So ließ beispielsweise der spätere preußische König Friedrich Wilhelm IV. die Burgruine Stolzenfels als Schloss im Stil des Historismus neu entstehen. Die erste von Karl Friedrich Schinkel und Johann Claudius von Lassaulx wiederaufgebaute Burgruine war die Burg Rheinstein bei Trechtingshausen, im südlichen Welterbe-Abschnitt gelegen.

Weinanbau im Wandel der Zeit

Burgen, Wandern und Wein ziehen Gäste an den Oberen Mittelrhein. (Foto: Piel)
Burgen, Wandern und Wein ziehen Gäste an den Oberen Mittelrhein. (Foto: Piel)

Im 19. Jahrhundert bewirtschafteten die Winzer im Oberen Mittelrheintal in mühsamster Handarbeit noch an die 2000 Hektar überwiegend steilste Rebflächen, kelterten Weine von Weltrang und boten mit ihren Rieslingen der Konkurrenz von der Mosel oder aus dem Rheingau locker die Stirn. Doch dann lockte das viel einfacher verdiente Geld in den Städten oder mit dem Tourismus der Rheinromantiker und aus den Winzern wurden Gastwirte oder Hoteliers.

Immer noch dominiert der Riesling auf gut zwei Dritteln der verbliebenen Flächen. Darüber hinaus bestimmen Spätburgunder, Grauburgunder, Weißburgunder, Portugieser und weitere Rebsorten in kleineren Anteilen das Anbaugebiet. Doch auch hier wird der Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten zu Veränderungen führen, durch die neue Rebsorten das Bild bestimmen könnten. Insgesamt gibt es noch rund 80 Weinbaubetriebe, die als Haupterwerbsbetriebe geführt werden. Hinzu kommen 40 weitere kleinere private Weingüter, die Anbau und Ausbau des Weines aus einer Hand leisten und ihre Weine meist ausschließlich direkt vermarkten. Zudem beweisen einige der Winzer mittlerweile wieder, dass das Obere Mittelrheintal auch heute noch Spitzenweine hervorbringen kann. Der Boden aus dem Hunderte Millionen Jahre alten Schiefer verleiht dem Wein seinen besonderen Charakter. In ihm lässt sich diese einmalige Landschaft schmecken. Nicht zuletzt deshalb hat die UNESCO die klare Auflage ausgegeben, weiterhin Wein anzubauen.

Viele Weinberge wurden aufgegeben. Heute sind nur noch rund 450 Hektar und 150 Weinbaubetriebe übrig, der Rest ist verfallen, verbuscht und fast vergessen.

Sicher eine gute Idee, denn mit dem Rückgang der Rebflächen schwand auch die touristische Bedeutung des Oberen Mittelrheintals. Auch die Zunahme des Verkehrs auf den für den Tourismus früher so wichtigen Bahntrassen minderte den Reiz einer Rheinreise. Die Industrialisierung, der die frühen Reisenden an den Rhein entflohen, hat den Tourismus eingeholt und drückt der immer noch majestätischen Landschaft einen hässlichen Stempel auf. Eine Entwicklung, die es zu korrigieren gilt. Die BUGA 2029 will dazu einen Beitrag leisten.

  • In unserer Serie beleuchten wir auf Basis der Machbarkeitsstudie (PDF 2031, Ergänzung 2029) die Möglichkeiten und Auswirkungen der Bundesgartenschau 2029 im Oberen Mittelrheintal. Bisher erschienen:
  1. Familie Schmidt besucht die BUGA
  2. Impulse für das Obere Mittelrheintal
  3. So war es bei der Landesgartenschau 2008 in Bingen
  4. So war es bei der Bundesgartenschau 2011 in Koblenz
  5. So war es bei der Bundesgartenschau 2015 in der Havelregion
  6. Eine dezentrale BUGA – geht das?
  7. Besonderheiten und Potenziale
  8. Landschaft: Wasser, Wald, Fels und Wein
  9. Die Wiege des Tourismus
  10. Infrastruktur
  11. Orts- und Regionalentwicklung
  12. Unesco-Welterbe
  13. Organisationsmodell und Planungsprozess
  14. Partizipation
  15. Planungsgrundlagen
  16. Ziel- und Erfolgskriterien
  17. Flächenmeldung und Einordnung
  18. Leitlinien
  19. Verbundräume
  20. Auf dem Rhein
  21. Das ganze Tal bespielen
  22. Konzept für die BUGA 2029
  23. Qualifizierung und Auswahl von Schwerpunktstandorten und -projekten
  24. Standorte im Nördlichen Tal
  25. Standorte im Zentralen Tal
  26. Standorte im Südlichen Tal
  27. Mobilitätskonzept
  28. Veranstaltungskonzept
  29. Touristische Infrastruktur und weitere Projektideen
  30. Was bleibt?

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